Mehr Partner, weniger Sparring: Wie wir kooperieren (und wie lieber nicht)

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Kürzlich hat mich einer unserer Partner (Danke, Rok @ Effekt!) gefragt, warum wir Sergeant nicht als Lead Agency positionieren. In mir hat seine Frage eine Lawine an anderen Fragen losgerissen. Ist das Modell der Lead Agency ein alter Zopf? Warum mögen wir Co-Creation? Und was ist die ideale Form der Kooperation? Ein Erfahrungsbericht.

Erinnert ihr euch an Mad Men? Die Fernsehserie über eine New Yorker Werbeagentur in den 60ern zeigte geschniegelte Männer in Anzügen – Zigarette in der einen Hand und Whiskey in der anderen – wie sie vor Arroganz strotzend in einen Raum schritten, den staunenden Kunden geniale Kampagnen präsentierten und inmitten der bodenlosen Bewunderung wieder davon stolzierten. Spoiler-Alert: Die goldenen Mad Men-Zeiten vorbei. Zum Glück! 

Heute arbeiten Kunden und Agenturen viel öfter auf Augenhöhe zusammen. Kreativität ist nicht mehr nur einem einzelnen Creative Director vorbehalten, sondern Teamwork. Unternehmen und Agenturen bringen spezifisches Know-how mit, das sich ergänzt. Und meistens arbeiten auch mehrere Agenturen für einen Kunden am selben Produkt. Das hat in unseren Augen viele Vorteile, aber birgt auch Risiken. Die grösste Gefahr? Dass bei zu vielen Köchen die Marke zu Brei wird. Aber nochmals von vorne.

Die vielen Formen der Kooperation

Als Vorbereitung für diesen Blogpost haben wir versucht, all unsere Arten der Kooperation sauber aufzudröseln. Das Resultat: ein komplett vollgekritzeltes Whiteboard und leichte Kopfschmerzen. Je nach Unternehmensgrösse und Projekt arbeiten wir nämlich auf so viele unterschiedliche Arten mit unseren Kunden zusammen, dass eine Auflistung hier keinen Sinn macht. Die Basics können wir trotzdem kurz durchgehen:

1. Lead Agency

Die Lead Agency eines Unternehmens ist die Hauptagentur. Sie wird bei jedem Projekt zuerst kontaktiert. Nur, wenn sie keine Zeit für einen Auftrag haben sollte, wird nach Alternativen gesucht. Aber selbst in dem Fall wirft die Lead Agency oft einen Blick auf das Produkt, bevor es finalisiert wird. Die Lead Agency kennt die Marke am Besten, war vielleicht auch verantwortlich für das Branding. Sie ist nicht nur für ein Projekt mit am Start, sondern arbeitet oft über Jahre hinweg mit diesem Unternehmen.

Gut daran: Mit einer Lead Agency sind die Verantwortlichkeiten ziemlich klar verteilt. Es ist nur eine Agentur (vielleicht innerhalb der Agentur auch nur ein Kernteam), das heisst als Kunde muss man sich nicht mit mehreren Ansprechpersonen und unterschiedlichen Workflows vertraut machen. Kurzum: Es ist ein bequemes Modell.

Aber: Eine Lead Agency zu haben machte zu Mad Men Zeiten total Sinn, weil die Kommunikation auf so wenige Kanäle beschränkt war. Ein Unternehmen konnte über Inserate, Plakate, Radio- und Fernsehspots kommunizieren. Und diese konnte ein und dieselbe Agentur gut alleine stemmen. Heute kann eine Lead Agency eine Firma aber im schlimmsten Fall einschränken. Was, wenn man als Unternehmen gerne auf TikTok präsent wäre, die eigene Agentur aber kaum Erfahrung damit hat? Zeitgemässer ist es, sich projektbezogen Spezialist:innen ins Team zu holen, mit mehreren Agenturen zu kollaborieren und hybride Formen der Zusammenarbeit zu suchen. 

2. Inhouse-Agentur

Willkommen am andere Ende des Spektrums. Viele Firmen bauen ihr internes Know-how inzwischen zu ganzen «Inhouse-Agenturen» aus und lagern weniger oder gar keine Aufträge an externe Agenturen mehr aus. Oft auch ziemlich erfolgreich.

Gut daran: Wer die Agentur im eigenen Haus aufbaut, kann vom Workflow bis zur Kaffeepause natürlich jeden Aspekt selbst kontrollieren. Und spart sich dabei noch die Stundensätze einer Agentur.
 

Aber: Die Inhouse-Agentur generiert das ganze Jahr über Fixkosten. Und was uns Sergeants die letzten zwei Jahre gelehrt haben: In Krisen ist das Marketingbudget das erste, das verschwindet. Ausserdem ist es in diesem umkämpften Markt gar nicht so leicht, ein tolles Team aufzubauen. Eine Inhouse-Agentur kann Mitarbeitenden zwar geregeltere Arbeitszeiten und interessante Löhne anbieten als die Durchschnittsagentur. Dafür ziehen die breiten Kundenportfolios der Agenturen eben die Menschen an, denen kreative Abwechslung wichtiger ist. Und selbst die neueste Inhouse-Agentur ist irgendwann ein eingespielter Teil des Unternehmens. Da wird es schwieriger, keine Betriebsblindheit zu entwickeln.

3. Co-Creation

Zwischen hauseigener Agentur und Lead Agency stehen die Tausendundeins Formen der Kooperation zwischen Unternehmen und Agenturen. Wenn wir von Co-Creation sprechen (unsere Lieblingsform), meinen wir damit aber das Involvement auf Kundenseite. Fachkräfte in Unternehmen briefen die Agentur(en) auf Augenhöhe und bringen ihr Know-how in Projekte ein. Wieviel dabei die Unternehmen und wieviel die Agenturen übernehmen, kann stark variieren. Womit wir auch schon bei den Vor- und Nachteilen wären.

Gut daran: Bei Co-Creation kann die Agentur Sparring Partner für Ideen sein, eine externe Perspektive einbringen oder auch mal strategischer Prellbock spielen (z.B. eine kreative Entscheidung vor dem Vorstand legitimieren). Co-Creation ist toll und macht - solange konstruktiv und sachorientiert - extrem viel Sinn.

Aber: Das Wort Sparring Partner kommt vom Kampfsport, wo man als Teil des Trainings mit Übungspartner:innen in den Ring steigt. Wenn man aber auf Augenhöhe ringt, kann es auch schneller ins Auge gehen. Wichtig ist es, früh genug gemeinsam die Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten abzustecken. Wenn mehrere Agenturen am Projekt arbeiten, sollten sie früh genug voneinander wissen und ihre Stärken und Ressourcen bündeln. Was wenig Sinn macht (aber leider zu oft passiert) ist ein Agentur-Rondo: Jede Agentur muss konstant mit allen Informationen versorgt werden, anschliessend wird jeder Schritt von allen Projektbeteiligten kritisch hinterleuchtet und die Vorarbeit der anderen Partner:innen zunichte gemacht. Mit Transparenz und Standhaftigkeit sind Unternehmen gut beraten - so können wir Agenturen am besten fokussiert in die richtige Richtung arbeiten.

Aber wie macht man es jetzt richtig?

Vielleicht liegt es am Erfolg von Serien wie Mad Men, aber Agenturmenschen haben den schlechten Ruf, mit ausgestreckten Ellbogen durch die Arbeitswelt zu gehen. Wir Sergeants glauben nicht daran. Am besten und effektivsten arbeiten wir nämlich schon immer dann, wenn wir Partnerschaften eingehen. Wenn wir von Anfang an mit Unternehmen und Agenturen gemeinsam an einem Tisch sitzen und transparent unsere Erwartungen klären. Wir glauben daran, sich für jedes Projekt die fähigsten Leute ins Boot zu holen und voneinander zu lernen. 

Wenn das gegenseitige Vertrauen in die Arbeit fehlt, kommt selbst das bestgeplante Projekt nicht weiter, sondern bleibt in ewigen Korrekturrunden stecken. Wir arbeiten auf das bestmögliche Endresultat hin, das heisst wir können unsere Teamgefährt:innen nicht als Konkurrenz sehen. Stattdessen vertrauen wir darauf, dass alle ihre Fähigkeiten nach bestem Gewissen einsetzen. Der Kunde oder die Kundin kennt das eigene Unternehmen am allerbesten. Und wir Agenturen sind Expert:innen in unseren Fachbereichen. Auf diese Grundannahmen müssen sich alle verlassen können.

Also Agenturen: Seid lieb zueinander. Und Unternehmen: Seid klar und transparent in euren Aufträgen. Wir arbeiten im  Business der Kommunikation. Da sollte gute Kommunikation an oberster Stelle stehen, oder?