Hält KI die Zukunft kreativer Berufe in der Hand (mit sieben Fingern)? Ein Update.

human and robot hand reaching out to each other with creative elements in the background
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Seit unserem ersten AI-Blogbeitrag sind zwei turbulente Jahre vergangen. Mittlerweile kann man kaum noch eine Notiz-App öffnen, ohne dass einem prompt eine KI-Lösung angeboten wird. Höchste Zeit also für ein Update – um ein für alle Mal zu beweisen, dass Menschen sich auch ohne Changelog weiterentwickeln können.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Es mag schockierend klingen, aber ich werde diesen Blog auf die altmodische Weise schreiben. Nein, nicht mit einer Schreibmaschine – das wäre ALT-altmodisch – sondern mit einer leeren Seite auf meinem Screen, ein Tastendruck nach dem anderen.

Im Jahr 2019 wäre das vielleicht kein Kunststück gewesen, aber nur sechs Jahre später fühlt es sich schon wie digitale Kriegsführung an.

Während ich diesen Artikel schreibe, wimmele ich wütend alle Autovervollständigungen und Satzvorschläge ab und versuche, über die passiv-aggressiven roten Linien hinwegzusehen, die suggerieren, dass «alt-altmodisch» kein richtiges Wort ist.

Wie sind wir hier gelandet?

snake oil bottle with label saying AI cure-all!

Die Reiter des aufgeblähten Marketings: Kryptowährungen, NFTs – und jetzt KI?

In den letzten Jahren haben wir eine Manie um Kryptowährungen und NFTs erlebt. Und obwohl es sich dabei definitiv um interessante Technologien handelte, ist der Hype inzwischen deutlich abgeflacht.

Der nächste beeindruckende Durchbruch war generative KI. Da grosse Sprachmodelle wie ChatGPT weiterhin begeisterten, waren Unternehmen bestrebt, diese Schlagworte zu nutzen, um sich einen Vorteil bei der Mittelbeschaffung zu verschaffen und so mehr Abonnenten oder Investoren anzulocken. Für diese Praxis wurde der Begriff «AI washing» geprägt, der schnell die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zog.

Selbst wenn Produkte korrekt als generative KI bezeichnet werden, sind die beeindruckenden Demos, die wir zu sehen bekommen, oft genau das: ausgewählte Demonstrationen, bei denen die KI verblüffende Ergebnisse erzielt hat. Als jemand, der gerne herum spielt und die Grenzen der Technologie auslotet, bin ich jedoch zunehmend skeptisch, ob KI in naher Zukunft Kreative vollständig ersetzen kann.

KI als Werkzeug, nicht als Ersatz

Vielleicht lassen die letzten Absätze das Gegenteil vermuten, aber ich bin ein Freund von AI und sehe grosses Potenzial, wenn sie als Werkzeug und nicht als Ersatz verwendet wird. Es gibt viele Aufgaben im Design, die mühsam sind und überraschend viel Zeit in Anspruch nehmen. Sei es das Entfernen des Hintergrunds hinter einer Person, das Verstecken von Logos in Videoaufnahmen oder das Erstellen einer schwindelerregenden Anzahl unterschiedlicher Formate für verschiedene Medienkanäle.

Derzeit scheint Adobe eines der wenigen Unternehmen zu sein, das KI als Werkzeug zur Unterstützung von Designern integriert, anstatt zu versuchen, sie zu ersetzen. Man könnte das als Ausdruck des Goodwills gegenüber ihrer Zielgruppe interpretieren. Ich frage mich jedoch, ob Adobe vielleicht ebenfalls der Meinung ist, dass die aktuellen Tools erfahrene Designer*innen weder heute noch morgen ersetzen können.

Moderne Smartphones sind einer der Gründe, warum ich dieser Meinung bin. Wir alle haben Zugang zu einem solchen Gerät. Aber geben Sie es einem professionellen Fotografen, und Sie werden staunen, wie er ganz beiläufig ein Meisterwerk schiesst. In ähnlicher Weise werden die beeindruckendsten KI-generierten Inhalte immer noch von Künstler*innen geschaffen, die den generierten Output einfach als Asset nutzen, um ihn zu verfeinern und in etwas Neues umzuwandeln.

Light bulb surrounded by creative elements in front of an image icon

Kann KI das aufpeppen?

Ich habe festgestellt, dass Schreibende dem Potenzial der KI-Technologie sehr viel positiver gegenüberstehen als Designer:innen. Sicher, die eine Gruppe verwendet einen Bildgenerator, die andere einen Textgenerator. Der Hauptunterschied zwischen diesen Tools ist jedoch ein anderer: die Möglichkeit, den Output zu überarbeiten. Wörter lassen sich nun einmal viel leichter ändern und umstrukturieren als Bilder.

Alle Kreativen wissen, dass wir täglich sehr genaue Überarbeitungen durchführen, sei es auf der Grundlage unseres eigenen Geschmacks, des Feedbacks unseres Teams oder der Kundenanforderungen. Wir sind stolz darauf, genau das zu liefern, was verlangt wird. Schauen Sie sich nur einmal die Richtlinien einer Corporate Identity an: Die Verwendung des Logos und seine Abstände sind pixelgenau definiert. Die Natur von Midjourney und Co. ist es jedoch, ein fertiges Produkt zu liefern, das alle Unbekannten mit Vermutungen ausfüllt. Im besten Fall ist es schwer zu ändern, im schlimmsten Fall ist es völlig aus der Luft gegriffen.

Deshalb bin ich davon überzeugt, dass eine Verbesserung der User Experience entscheidend dafür ist, dass generative KI eine breite Akzeptanz findet. Bei der Entwicklung dieser Tools vergessen wir oft die Bedürfnisse professioneller Kreativer. Ein Beispiel ist die Notwendigkeit, alles auf einer separaten Ebene Stein für Stein aufzubauen, vom Fundament bis zum Dach. Das erste KI-Tool, das dieses Bedürfnis erfüllt, dürfte sehr erfolgreich werden.

Übermässiges Vertrauen in KI

Das ändert jedoch nichts daran, dass KI ein Instrument ist und selbst im derzeitigen Entwicklungsstadium weiterhin als solches genutzt werden wird. Es ist jedoch wichtig, sich der Risiken des KI-Einsatzes bewusst zu sein. Eine kürzlich publizierte Studie von Microsoft hat gezeigt, dass übermässige KI-Nutzung die Fähigkeit zum kritischen Denken beeinträchtigen kann. So wie unser Körper Bewegung braucht, brauchen auch unser Gehirn und unsere kreativen Fähigkeiten regelmässiges Training. Wie lange können wir unser kreatives Denken auslagern, bevor die Quelle irgendwann versiegt? Schliesslich scheint das Gebot zu lauten: «Use it or lose it».

Illustration of a human and a robot hand shaking in front of a stylized planet, with small floating elements in the shape of starts, triangles and bar graph floating around them

Mein Fazit

Generative KI ist zwar längst nicht mehr wegzudenken, doch wird sich erst mit der Zeit zeigen, ob sie tatsächlich alles beherrschen wird. Eine wachsende Welle irreführender Werbung schürt die Erwartungen und lässt KI-Tools mächtiger erscheinen, als sie tatsächlich sind.

Um die Tools für Profis unverzichtbar zu machen, müssen sich Entwickler*innen auf die User Experience konzentrieren. Insbesondere muss ein Werkzeug entwickelt werden, das eine einfache und genaue Optimierung der Details des Outputs ermöglicht, anstatt eine Vielzahl von Bildern mit unterschiedlichem Grad an Unvollkommenheit zu produzieren, von denen letztlich nur wenige das Licht der Welt erblicken werden.

Richtig konzipierte Tools geben Kreativen wiederum mehr Kontrolle und Selbstvertrauen bei ihrer täglichen Arbeit. Wir dürfen aber auch nicht faul werden und uns zu sehr auf diese Hilfsmittel verlassen. Leidenschaftliche und fähige Menschen werden immer über der Masse stehen. Daher wird die Verbesserung unseres Handwerks weiterhin oberste Priorität haben.

Es ist fast schon ironisch, dass das rasante Tempo, mit dem sich die KI verbessert, auch uns dazu zwingt, uns noch schneller zu verbessern. Und auch wenn das anstrengend klingt, bin ich fest überzeugt, dass dies unweigerlich zu unglaublichen Leistungen führen wird, die bisher noch nicht möglich waren.